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Über Birkensaft und Pollenallergie

Vor einigen Jahren wurde ich zunehmend allergisch gegen Birkenpollen. Um auf das Schlimmste gefaßt zu sein, begann ich die Pollenprognosen auf dem Internet anzusehen. Erhöhte Birkenpollenniveaus waren gleichbedeutend mit laufender Nase und roten, juckenden Augen. Bald wurde ich auch allergisch gegen Hasel- und Erlenpollen. Haselnüsse und Pfirsiche verursachten en unangenehmes Jucken im Hals.

Bevor die Birkenpollensaison 2002 begann, fanden wir einen Artikel über Birkensaft in der schwedischen Zeitschrift "Land" (15/02). Neugierig auf ungewöhnliche Sachen fuhren wir zu unserer Landstelle und zapften gleich eine unserer großen Birken an. Ich probierte vorsichtig, eine allergische Reaktion war ja nicht auszuschließen, aber es passierte nichts. Ich trank dann etwa einen halben Liter frischen Birkensaft zum Mittagessen.

Einige Tage später begannen die Birken in der Umgebung von Stockholm zu blühen. Bald wurden hohe Birkenpollengehalte gemessen, 2002 war ein pollenreiches Jahr. Aber ich hatte fast keine allergischen Symptome! Nach einiger Zeit begann ich den Birkensaft, den ich getrunken hatte, zu verdächtigen. Als später das Jucken in den Augen zunahm, trank ich deshalb noch ein Glas Birkensaft, welches nach meinem Erachten direkt zu einer Verbesserung führte. Täglich ein Glas Birkensaft hielt die Allergie in Schach, bis unsere Birke versiegte (das geschieht, wenn die Blätter ausschlagen). Danach nahmen die allergischen Beschwerden zu, aber es war lange nicht so schlimm, wie in den Jahren zuvor.

Ich weiß, daß eine Allergie ebenso leicht verschwinden kann, wie sie auftaucht. Aber mit Hinblick auf die Entwicklung meiner Allergie hatte ich eher eine Verschlechterung, als eine so dramatische Verbesserung erwartet. Ich glaube daher nicht an einen Zufall.
Sattdessen glaube ich, daß Birkensaft einen desensibilisierenden Effekt hat. Der Saft könnte kleine Mengen einer Substanz (vielleicht das Allergen selbst) enthalten, die von den Schleimhäuten aufgenommen wird und dadurch bewirkt, daß sich der Körper an die Birke gewöhnt. Das könnte die heftige Reaktion dämpfen, wenn sich Pollenkörner in der Luft befinden.

Pollenallergie wird heutzutage entweder durch den Versuch, die Pollenmenge in der Umgebung des Allergikers zu reduzieren (im Hause bleiben, viel Staubsaugen, Urlaubsreise zu einer kargen Insel ohne Vegetation machen, usw.), oder durch Linderung der Symptome mit Hilfe verschiedener Medikamente (Antihistaminika) behandelt.
Die einzige Methode, die wirklich versucht die Allergie zu heilen, wird Immuntherapie (Desensibilisierung) genannt. Hier wird der Patient wiederholt kleinen Mengen Pollenallergen ausgesetzt, um den Körper daran zu gewöhnen und auf diese Weise eine heftige Reaktion zu verhindern, wenn das Allergen im Überfluß vorhanden ist. Immuntherapie hat traditionell eine große Anzahl Spritzen mit dichtem Intervall bedeutet, was natürlich viele Allergiker von dieser Behandlung abgehalten hat. Nun gibt es auch eine orale Immuntherapiemethode (SLIT), bei der das Allergen als Kapsel oder Tropfen gereicht wird und eine Zeit unter der Zunge wirken darf, bevor der Rest geschluckt wird. Diese Methode soll hervorragend funktionieren. Vielleicht funktioniert Birkensaft auf genau diese Weise, und gratis ist es außerdem!

Vor der Pollensaison 2003 wiederholte ich natürlich die Birkensaftbehandlung und trank so viel ich konnte. Die Verbesserung wurde noch deutlicher, aber auf der anderen Seite war das Wetter schlechter und es gab wahrscheinlich weniger Pollen als im Jahr zuvor. (Wenn die Birken ein Jahr kräftig geblüht haben, machen sie im folgenden Jahr eine Pause, um sich zu erholen.)

Ich glaube, daß es wichtig ist zu untersuchen, ob Birkensaft auch für andere Birkenpollenallergiker funktioniert. Die positiven Auswirkungen auf die Volksgesundheit und -wirtschaft wären so groß, daß auch ein Forschungsprojekt gerechtfertigt wäre. Zunächst können ja alle, die es wagen, einen Selbstversuch machen. Die Methode ist einfach, billig und wahrscheinlich ungefährlich, Birkensaft ist zu allen Zeiten als Lebensmittel angesehen worden.

Wie man Birkensaft zapft


Kulturgeschichtliche Aspekte der Pollenallergie -
wilde Spekulationen?

Allergien haben sich zu einer Volkskrankheit entwickelt. Seit Mitte des 19. Jahrhunderts hat die Anzahl der Allergiker ständig zugenommen. In Schweden rechnet man damit, daß 20% der Bevölkerung unter allergischem Schnupfen leiden. Warum das so ist, versucht man mit verschiedenen Modellen zu erklären. Daß die Ursache in der Umwelt und dem Lebensstil, und nicht in veränderten biologischen Voraussetzungen zu suchen ist, darüber sind sich die Gelehrten einig.

Die traditionelle Schule meint, daß Luftverunreinigungen, deren Menge seit dem Beginn der Industrialisierung ständig zugenommen hat, auf der einen Seite die Allergene aggressiver machen, und auf der anderen Seite die Widerstandskraft gegen Allergien herabsetzt. Dies kann erklären, warum die meisten Allergiker in der Stadt wohnen. Was die ländliche Bevölkerung anbelangt ist das Bild jedoch mehr komplex. Es zeigt sich nämlich, daß die Allergiebereitschaft von Bauernkindern eher von wirtschaftlichen Voraussetzungen, als von Schmutz und Luftverunreinigungen abhängig ist. Je ärmer sie leben, mit vielen Geschwistern und Spiel in Scheune und Stall, desto gesünder sind sie!
Der Vergleich kann sogar auf ganze Nationen ausgedehnt werden: Bauernkinder in reichen Industrieländern haben mehr Allergien als Bauernkinder in ärmeren Agrarländern. Darum hat man die alternative Hygienehypothese formuliert. Gemäß dieser Hypothese leben wir zu sauber und "Mist schadet nur da, wo er nicht hinkommt".
Die verschiedenen Modelle haben ihre ergebenen Anhänger, aber viele Fragen sind ungeklärt und das Umsichgreifen der Allergien erscheint weiterhin rätselhaft. Vielleicht enthalten die eventuellen Eigenschaften des Birkensaftes den Schlüssel zu einer ganz anderen Erklärung.

Birkensaft wurde früher in den Haushalten der gesamten nördlichen Hemisphäre verwendet. Er galt als gesund und nützlich, und er war eine wichtige Zucker- und Mineralquelle, die gerne nach dem Winter ausgenutzt wurde, um Menschen und Tiere munter zu machen. Man glaubte, daß Birkensaft verschiedene Krankheiten heilen konnte, u.a. Lungenkrankheiten und Erkältungen(!). In Mittelschweden trank man traditionsgemäß am 1. Mai "Löwenmark in die Beine", aber da konnte der Birkensaft mit sowohl Bier, als auch mit Ei versetzt werden ...
Die Hantierung hörte auf, als die Menschen in die Städte zogen, und heutzutage halten nur noch Enthusiasten auf dem Lande diese Tradition lebendig. Viele Städter haben nicht einmal von Birkensaft reden gehört, und noch weniger wissen wie er schmeckt.
Falls nun Birkensaft einen desensibilisierenden Effekt haben sollte, könnte er dann nicht auch einen schützenden Effekt gegen Birkenpollenallergie haben? Das wäre ja eine elegante Erklärung, warum die Birkenpollenallergie früher kein Problem war.

Es gibt eine interessante Parallele für einen schützenden/impfenden Effekt, wenn die Schleimhäute mit kleinen Mengen Allergen in Kontakt kommen: Nickelallergie. Die Forscher des "Nickelprojektes" haben Anzeichen dafür gefunden, daß eine Zahnklammer (die Nickel enthält) einen schützenden Effekt gegen Nickelallergie haben könnte. Nickelallergie kann später im Leben im Zusammenhang mit Piercing auftreten. Darum wird zur Zeit eine Studie mit allen Gymnasiasten in Umeå und Örebro durchgeführt, um diese Vermutungen mit statistischen Methoden zu belegen.

Aber Birkenpollen ist nicht die einzige Ursache für Pollenallergie. Warum sind heutzutage so viele Menschen allergisch gegen beispielsweise Gras- und Getreidepollen, während diese Krankheit in der Agrargesellschaft unbekannt war? Was aßen sie früher, das wir heute nicht mehr essen?
Alle (?) allergenen Pollenarten scheinen luftverbreitet zu sein, d.h. daß die Gewächse sich des Windes und nicht der Insekten bedienen, um polliniert zu werden. Darum bin ich skeptisch gegenüber der Behauptung, daß lokalproduzierter Honig, der kleine Mengen Pollen enthält, gegen Pollenallergie schützen könnte. Bienen sammeln normalerweise nicht luftverbreiteten Pollen, Weidenpollen ausgenommen.
Die Menschen haben seit jeher Getreideprodukte wie Brot, Brei, Nudeln und Bier verzehrt. Die Zubereitungsmethoden sind heute im Grunde dieselben wie früher, da liegt der Unterschied nicht. Und Gras essen wir wohl doch nicht, oder ... ?

Ja, indirekt mit der Milch! Kühe fressen Gras!
Stoffe aus dem Essen, das die Mutter ißt, wandern in die Milch über (ich werde niemals die Nacht in der Entbindungsanstalt vergessen, als wir Birnen zu essen bekommen hatten und alle Babies dann Magenschmerzen und Blähungen bekamen). Das gilt sicherlich auch für Kühe. Auf diese Weise könnten die Menschen jedesmal kleine Mengen von Gras-substanzen aufnehmen, wenn sie Kuhmilch trinken.

Aber im Gegensatz zu Birkensaft trinken wir ja noch immer Milch und die Kühe fressen noch immer Gras, warum sollte ein eventueller Schutz gegen Graspollenallergie heute fehlen?
Weil wir in den Industrieländern die Milchhantierung seit der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts radikal verändert haben.
In der alten Agrargesellschaft hatte ein jeder eine Kuh, oder wenigstens ein Schaf oder eine Ziege, die Milch für den Eigenbedarf produzierten. Die Milch gab man dann den Kindern noch warm, und der Rest wurde zu Sauermilch, Butter und Käse. Die Haltbarkeit der Frischmilch war sehr begrenzt.
Als die Industrialisierung einsetzte und die Leute in die Städte zogen, verschwand die Selbstversorgung und das Meiereiwesen entwickelte sich. Dies bedeutete, daß die Milch erst aufgesammelt und dann verteilt wurde, was Zeit in Anspruch nahm. Um Schmutz und fürchterliche Krankheiten zu bekämpfen, die mit der Milch verbreitet wurden, begann man sie zu kochen und bald auch zu pasteurisieren. Beim Kochen/Pasteurisieren werden eventuelle Bakterien abgetötet, aber dabei werden wahrscheinlich auch eventuell schützende Stoffe aus den Gewächsen denaturiert! Pollenallergene sind für ihre Wärmeempfindlichkeit bekannt.
Eine Tatsache, die diese Hypothese unterstützt, ist daß Meiereiwesen und Allergien ungefähr gleichzeitig in der Mitte des 19. Jahrhunderts in Gang kamen, mit den USA an der Spitze was beide Erscheinungen betrifft!

Daß man in Schweden weniger Allergien als in den USA hat, könnte damit zusammenhängen, daß in Schweden die Selbstversorgung später aufhörte. Viele Menschen, die in den vierziger Jahren geboren wurden, haben ihre Sommerferien auf dem Land zugebracht und wissen sehr wohl, wie Milch direkt von der Kuh schmeckt. Im Baltikum ist das wahrscheinlich immer noch die Regel.

Vereinfacht kann man sagen, daß vielleicht die Pollenallergien der Preis sind, den die moderne Gesellschaft bezahlen mußte, um mit der Tuberkulose zurechtzukommen. Als ich Kind war, zu anfang der fünfziger Jahre, bekam ich überhaupt keine Milch zu trinken, weil meine Mutter den Meiereien misstraute. Nun ist die Tuberkulose in unseren Kuhställen seit langem ausgerottet, aber die Milch wird immer noch pasteurisiert, um sie länger haltbar zu machen (!), d.h. um diverse Schmutzbakterien zu bekämpfen, die während der Lagerung zuwachsen. Unter diesen Umständen ist es natürlich illusorisch (und äußerst gefährlich), von der Pasteurisierung von Milch abzugehen. Genauso illusorisch ist es, zur Selbstversorgung zurückzukehren. Was bleibt ist, die eventuell schützenden Stoffe zu identifizieren und zuzusehen, daß sie recht dosiert in die Lebensmitteln gelangen, alternativ sie als "Impfstoff" gegen Pollenallergie zu verwenden.
Wie wäre es, wenn es sich zeigte, daß Hartkäse aus unpasteurisierter Milch (Typ Appenzeller) gegen Graspollenallergie schützt! "Functional food" in Reinkultur!

Man kann sogar noch einen Schritt länger gehen. Wenn man alle vorherrschenden, allergenen Gewächse aufzählt, sieht man, daß die Kühe sie früher fast alle auf der Speisekarte hatten (da durften die Tiere natürlich draußen sein, sowohl auf der Weide als auch im Wald). Im Winterfutter war oft außer Heu auch getrocknetes Laub von beschnittenen Bäumen, z.B. Birkenlaub enthalten. Vielleicht war Milch früher ein Universalmittel gegen Pollenallergie! Wenn man die Tierhaarallergie mit in den Gedankengang einbezieht, wird einem leicht schwindlig.

Wie man Birkensaft zapft

2003-05-15 Petra Ossowski Larsson
Ins Deutsche übersetzt 2004-02-22

Über den Verfasser

Copyright 2003 Petra Ossowski Larsson